Strukturen schaffen mit Alltagsmaterialien – Textur als Herzschlag deiner Kunst

Strukturen schaffen mit Alltagsmaterialien – Textur als Herzschlag deiner Kunst

Es gibt Momente beim Malen, da ist es nicht die Farbe, die zuerst spricht – sondern die Oberfläche.
Ein Riss in der Struktur, eine feine Linie, ein raues Stück Oberfläche, das den Blick fängt.
In der abstrakten Malerei sind Strukturen mehr als nur Dekoration. Sie sind Geschichten in Relief.
Und das Beste: Du brauchst dafür nicht zwingend teure Künstlerwerkzeuge. Viele der spannendsten Strukturen lassen sich mit Materialien erzeugen, die du schon zuhause hast.

In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du mit Alltagsmaterialien Strukturen erschaffen kannst, welche Effekte sie erzeugen und wie du diese Techniken in deine abstrakte Acrylmalerei einbindest.


Warum Strukturen so wichtig sind

Struktur ist wie die Stimme in deiner Malerei – sie macht aus einer flachen Fläche eine Bühne für Tiefe, Bewegung und Emotion.
Ein monochromes Bild kann allein durch die richtige Struktur Lebendigkeit bekommen.
Struktur kann dramatisch wirken oder leise und subtil. Sie kann den Blick leiten, den Fokus setzen oder einfach nur ein Gefühl von „etwas Echtem“ erzeugen, das man fast greifen kann.

Dazu kommt:

  • Strukturen laden ein, die Malerei auch haptisch zu erleben.
  • Sie schaffen Brüche, die Farbe auf neue Weise wirken lassen.
  • Sie geben dir als Künstlerin einen spielerischen Zugang – oft entstehen die spannendsten Effekte zufällig.

Tipp: Wenn du Lust hast, noch tiefer in dieses Thema einzusteigen, findest du in meinem Workbook „Spurensuche – Struktur, Schichtung & Alltagsmaterialien“ ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Rezeptideen für eigene Strukturpasten und viele Übungen zum spielerischen Arbeiten mit verschiedenen Materialien.


Alltagsmaterialien – ein Schatz für die Malerei

Viele denken bei Struktur sofort an Strukturpaste, Modelliermassen oder spezielle Gelmedien aus dem Künstlerbedarf.
Die funktionieren wunderbar – aber es gibt auch eine Welt voller Möglichkeiten direkt um dich herum: deine Küche, dein Haushalt, vielleicht sogar dein Garten.

Hier sind einige meiner liebsten Alltagsmaterialien für Strukturen:

  1. Pappe – besonders Wellpappe hinterlässt wunderschöne parallele Linien.
  2. Kartonreste – zum Abziehen oder Stempeln von Farbe.
  3. Alufolie – zerknittert und wieder geglättet, bringt sie organische, fast geologische Strukturen.
  4. Backpapier – als Abdrückfläche oder für Resist-Techniken.
  5. Stoffreste – grob oder fein gewebt, für feine Texturmuster.
  6. Schwämme – von Haushaltsschwämmen bis zu Naturschwämmen, jeder hinterlässt eine andere Oberfläche.
  7. Küchenutensilien – z. B. Tortenheber, Gabeln, Schneebesen, Siebe.
  8. Verpackungsmaterial – Luftpolsterfolie, Netzverpackungen von Zitrusfrüchten.
  9. Papier – Seidenpapier, altes Zeitungspapier, zerknüllt für Collage- und Abdruckeffekte.
  10. Sand, Erde, Kaffeesatz – gemischt mit Binder oder Farbe ergeben sie raue, natürliche Oberflächen.

Passend dazu: In meinem Workbook „Farben & Materialien – Einstieg in die experimentelle Acrylmalerei“erfährst du, wie du nicht nur mit klassischen Künstlerfarben, sondern auch mit Kreiden, Kohle, Pigmenten und Naturmaterialien experimentieren kannst.


Drei Wege, Struktur einzubinden

Es gibt viele Möglichkeiten, Struktur in dein Bild zu bringen – hier sind drei grundlegende Ansätze:

1. Untergrund gestalten

Bevor die erste Farbschicht kommt, kannst du Materialien direkt auf die Leinwand aufbringen oder in Strukturpaste eindrücken.

  • Beispiel: Mit zerknüllter Alufolie in feuchte Strukturpaste drücken – trocknen lassen – später mit verdünnter Farbe lasieren, damit die Erhebungen sichtbar werden.

2. In der Farbe arbeiten

Du kannst Materialien direkt in die noch feuchte Acrylfarbe drücken, ziehen oder schieben.

  • Beispiel: Mit einer Gabel durch nasse Farbe ziehen – gibt Linien und Rillen, die später spannend durchscheinen.

3. Nach dem Farbauftrag eingreifen

Auch wenn die Farbe schon trocken ist, kannst du Strukturen auflegen, collagieren oder partiell wieder abtragen.

  • Beispiel: Ein Stück groben Stoff mit Binder aufkleben, übermalen, anschließend stellenweise wieder abschleifen.

Techniken und Beispiele

Damit du gleich loslegen kannst, habe ich dir ein paar konkrete Techniken zusammengestellt:

1. Alufolie für organische Muster

  • Zerknülle die Folie, glätte sie leicht und drücke sie in feuchte Strukturpaste oder dick aufgetragene Acrylfarbe.
  • Nach dem Trocknen mit verdünnter Farbe lasieren, damit die Höhen und Tiefen sichtbar werden.

Effekt: organische, unregelmäßige Muster, die an Steine oder gealterte Oberflächen erinnern.


2. Wellpappe als Liniengeber

  • Entferne die obere Schicht der Pappe, sodass das Wellenprofil sichtbar ist.
  • Tupfe Farbe auf die erhabenen Linien und drucke sie auf die Leinwand – oder ziehe sie durch feuchte Farbe.

Effekt: klare, rhythmische Linien, die in der Abstraktion wie architektonische Elemente wirken.


3. Stoff als Textur

  • Lege groben Stoff (z. B. Jute) in die feuchte Farbe, drücke leicht und ziehe ihn wieder ab.
  • Alternativ aufkleben und mit Farbe überarbeiten.

Effekt: textile, warme Struktur mit handwerklichem Charakter.


4. Luftpolsterfolie als Punktstruktur

  • Drücke ein Stück Luftpolsterfolie in nasse Farbe oder tupfe sie mit Farbe ein und stempel auf.

Effekt: verspielte, runde Muster, die sich gut in mehreren Schichten kombinieren lassen.


5. Naturmaterialien

  • Mische Sand oder Kaffeesatz mit Acrylbinder (1:1) und trage die Mischung mit Spachtel oder Pinsel auf.
  • Nach dem Trocknen übermalen oder lasieren.

Effekt: raue, erdige Oberflächen, die sehr natürlich wirken.

Übungsidee: Im Workbook „Spurensuche“ findest du Anleitungen, wie du diese Techniken kombinierst, um Tiefe und Lebendigkeit in deine Bilder zu bringen – inklusive Fotoanleitungen und Reflexionsfragen, die dir helfen, deinen eigenen Stil zu entwickeln.


Farbauftrag & Struktur – eine lebendige Beziehung

Struktur lebt erst richtig, wenn Farbe sie betont.
Ein Trick: Arbeite in Schichten. Trage zunächst eine dunkle Grundfarbe auf, setze dann Struktur und arbeite mit helleren Lasuren darüber.
So entsteht Tiefe – die Vertiefungen wirken dunkel, die Höhen leuchten.

Auch Gegensätze sind spannend:

  • Glatte Flächen neben groben Strukturen.
  • Matte Farben neben glänzenden Lacken.
  • Dicke Farbschichten neben lasierenden Übergängen.

Praktische Tipps für die Arbeit mit Alltagsmaterialien

  • Experimentieren erlaubt – teste deine Materialien zuerst auf einem kleinen Stück Karton oder einer Probeleinwand.
  • Schichtweise arbeiten – zu viel Struktur auf einmal kann unruhig wirken.
  • Trocknungszeit beachten – manche Effekte wirken erst richtig, wenn sie komplett trocken sind.
  • Sicherheit – bei Staub oder feinen Partikeln (Sand, Pigmente) am besten Maske tragen.
  • Archivfestigkeit – wenn du mit organischen Materialien arbeitest (z. B. Kaffee, Erde), solltest du sie gut mit Binder versiegeln, um Schimmel zu vermeiden.

Warum Alltagsmaterialien Magie haben

Es geht nicht nur um die Optik.
Alltagsmaterialien tragen Erinnerungen. Ein Stück Stoff kann an ein altes Kleid erinnern. Sand kann Urlaubsgefühle wecken. Kaffeesatz riecht noch nach gemütlichen Morgen.
Wenn du diese Dinge in deine Malerei einarbeitest, webst du Geschichten ein – Geschichten, die vielleicht nur du kennst, die aber unterschwellig wirken.


Schritt-für-Schritt-Beispiel: Ein strukturiertes Mixed-Media-Bild

  1. Untergrund vorbereiten: Leinwand grundieren, z. B. mit Gesso.
  2. Struktur anlegen: Mit Spachtel grob Strukturpaste auftragen, Alufolie eindrücken.
  3. Trocknen lassen: Mindestens 2–4 Stunden.
  4. Farbauftrag: Dunkle Grundfarbe auf die gesamte Fläche.
  5. Schichten aufbauen: Mit Schwamm und Pinsel hellere Töne lasierend auftragen, damit die Struktur sichtbar wird.
  6. Details setzen: Mit Wellpappe Linien drucken, mit Luftpolsterfolie Punkte ergänzen.
  7. Akzente: Einzelne Stellen mit einer Komplementärfarbe oder Metallicfarbe hervorheben.
  8. Fixieren: Mit mattem oder glänzendem Acryllack versiegeln.

Fazit – Dein persönlicher Fingerabdruck

Struktur ist wie ein leiser Herzschlag in deiner Kunst – sie ist nicht immer laut, aber sie trägt das Werk.
Mit Alltagsmaterialien zu arbeiten, macht diesen Prozess lebendig, unvorhersehbar und zutiefst persönlich.
Es kostet nichts – außer Mut zum Ausprobieren – und es schenkt dir unendliche Möglichkeiten.

Jedes Material, das du einsetzt, wird Teil deiner künstlerischen Handschrift.
Und vielleicht ist es genau diese Linie, dieser Abdruck oder diese raue Stelle, die später jemandem im Herzen bleibt.

Weiterführend: Wenn dich dieses Thema begeistert, sind meine Workbooks „Spurensuche“ und „Farben & Materialien“ die perfekte Ergänzung. Sie führen dich Schritt für Schritt durch den kreativen Prozess und geben dir Ideen, die du sofort umsetzen kannst. Du findest sie in meinem Shop.

 

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